Die "jecke" Zeit - eine wilde Reise in unsere tiefsten Gefühle

Am 11.11. um 11:11 Uhr beginnt die jecke Zeit. Doch nicht nur der Karneval hat jetzt Saison, auch andere Kostüm-Umzüge wie der Perchtenlauf finden in der Zeit zwischen November und Februar statt.

 

 

Die Narrenfreiheit hat Saison.

 

Verkleidet als Narr, eingebunden in die Rituale des Karneval, ist es den Menschen erlaubt, Kritik zu äußern am Regierenden (System), sich animalisch zu gebärden, zotig zu sein und - oftmals durch den Rausch - Verhaltensweisen auszuleben, die im Alltag sonst keinen Platz haben. 

 

Die Ursprünge dieser Feste liegen in einer Zeit, in der der Mensch die Welt anders als heute auffasste. Götter und Naturgeister beherrschten sein Weltbild - und interagierten mir ihm.

In diesen Festen haben die Menschen einst einen Teil von sich kennengelernt - geführt durch ein Geistwesen, oder im Anblick der Geschichten, die sich ihm in den Schauspielen dargeboten haben - der im Alltag und im Umgang mit den Mitmenschen wenig Platz gefunden hat.

 

In diesem Blogbeitrag nehme ich dich mit auf eine kleine Reise zu den schamanischen Wurzeln dieser wilden Winterzeit...

Eng verbunden mit der Winterzeit ist die Figur der Holle, dem Teil der Erdgöttin, der es schneien läßt, der den Seelen beim Übergang zwischen der Anders- und der Menschenwelt hilft, so dass Menschen sterben und geboren werden können. Der Teil, der Gaben gibt - Nahrung und Lebenszeit, der Teil, bei dem Schamanen in die Lehre gehen. 

 

Die Analogien aus dem Märchen sind: Schnee - Betten schütteln, Seelenreise - Brote im Ofen, Gaben - Äpfel, Schamanen - beide Marien.

 

 

Für die urzeitlichen Feste verbanden sich Frauen* mit der Natur, mit der Holle. Sie erschufen nicht nur Kostüme, die sie überzogen, sie stellten dem Geist ihren Körper zur Verfügung, so dass dieser auf der Erde wandeln konnte, Gaben verteilen konnte und die Menschen, die an der Reihe waren zu gehen, auf die Passage vorbereiten konnten.

 

Die Figur der Holle ist dabei weder gut noch böse. Sie ist einfach Teil des Lebenskreislaufes, des Rades des Lebens. In ihr verbinden sich Anfang und Ende, sie ist der Kopf der Schlange, der sich in den eigenen Schwanz beißt. Diese Kraft haben die Frauen, die sie verkörpert haben, wahrgenommen und gefühlt.

Die Verbindung der Körperzellen mit dem Urgeist der Holle hat die Frauen bereichert, ihren Blick geöffnet für das große Bild der Natur, ihre Fähigkeiten als Hebamme gestärkt, oder als Sterbebegleiterin - oder als Heilerin. Sie konnten nun das ganze Jahr über diese Urkraft in ihre Arbeit einfließen lassen.

 

*besonders Frauen in o.g. Berufen

Auch die Männer kamen durch das Verbinden mit einem Geistwesen und das Tragen von Verkleidung in einen Teil ihrer Natur, den sie sonst nur wenig ausleben konnten. Der Lebensfunke wird vom Mann gegeben - dadurch kommt auch der recht zotige Umgang mit Sexualität zu den Festen. Wilde Besamer mit riesigem Glied liefen wie besessen umher und trieben ihre Spielchen mit den Menschen. Um die Macht, den Spaß und die Erfüllung zu fühlen, die aus dieser Position und dieser Energie strömen, muss man übrigens ebenso wenig den Akt an sich vollziehen, wie die Holle-Impersonisierenden tatsächlich töten oder leben schenken müssen: Es ist die Hingabe an den Spirit, die Trance und das Schauspiel, die alle Menschen dabei tief im inneren berührt.

 

Raserei, den Teufel in sich haben, Wut und Aggression sind wichtiger Bestandteil der Besessenheit mit Naturgeistern. Diese Gefühle oder "Seiten" sind in jedem Menschen vorhanden, und im gesicherten Rahmen der urzeitlichen Feste, indem man eine Gottheit durch sich ziehen ließ, konnte man sie wahrnehmen, den Umgang damit lernen, die Zellen diese Macht und Kraft atmen lassen und dann, genau wie die Frauen ihren Teil, im Alltag im Jahr gezielter und verbundener damit umgehen.

 

 Je weiter die Zivilisation fortschritt, desto Sinn entleerter wurden ihre Feste. Heute kann sich kaum noch jemand vorstellen, was ursprünglich passierte.

Was uns heute noch bleibt, sind gemäßigte Narren und gezähmte Biester - weiblich und männlich, die die Sehnsucht spüren, ihre Kraft zu fühlen, aber nicht mehr wissen, wie sie dort hin gelangen könnten.

Denn was man aus diesen Verbindungen und diesen wilden Jagden als Teilnehmer und Zuschauer erhält, ist Ruhe. Gewissheit. Zentrierung. Gefühl und Umgang mit seinen Gefühlen. Die Gewissheit, dass wir Teil der Natur sind, Teil eines interagierenden Systems. Gewissheit, dass wir nicht am Ende unserer Entwicklung angelangt sind, das wir als Menschen noch viel zu lernen haben.

Ein Gefühl für unsere Winzigkeit.

Und für unsere Größe.

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Hannah Achenbach

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